Alex Schulman „Verbrenn all meine Briefe“

Alex Schulman, 1976 geboren, gehört zu den bedeutenden schwedischen Schriftstellern der Gegenwart. Sein erster Roman „Die Überlebenden“ wurde in 30 Sprachen übersetzt.

„Verbrenn all meine Briefe“ erzählt die Geschichte seiner Großmutter Karin, der er das Buch auch gewidmet hat. Ausgangspunkt für seine Recherchen über seine Großeltern und ihre Familie sind seine eigenen Wutanfälle, die unberechenbar aus ihm herausbrechen und seine Ehefrau und seine Kinder ängstigen. Darüber hinaus gibt es in ihm ein latentes Gefühl von Wut auf alles. Zugleich erlebt er diese Wut nicht wirklich als seine eigene und er beginnt mit einer Therapie und mit Nachforschungen in seiner Familie: „Denn wenn die Wut nicht meine ist, wenn ich nur ein Wirtstier dafür bin, Stellvertreter für eine bestimmte Phase in der Familie, dann wird sie anschließend weitergegeben an die nächste Generation.“

Seine Großeltern waren Sven Stolpe, ein schwedischer Schriftsteller, der über hundert Bücher verfasst hat und der ein narzisstischer, gewalttätiger Mensch war. Seine Großmutter war die Übersetzerin und Autorin Karin von Euler-Chelpin. Das Paar hatte vier Kinder, die jüngste Tochter ist Alex Schulmans Mutter.

Der Autor erinnert sich, dass seine Mutter und ihre Geschwister sich immer zerstritten, dann wieder zusammentrafen und nach neuerlichem aggressiven Streit für längere Zeit ohne Kontakt miteinander waren. Auch unter diesen Geschwistern gibt es viel Wut.

Die Ehe seiner Großeltern war gekennzeichnet durch die häufigen Wutanfälle des Großvaters und die ständigen Demütigungen seiner Frau gegenüber. Karin, seine Ehefrau und die Großmutter des Autors, hat dies alles schweigend, verschreckt, angsterfüllt ertragen. Es schien so, als hätte Karin Schuldgefühle und als würde ihr Mann sich zu seinem Benehmen ihr gegenüber berechtigt fühlen.

Der Autor findet schließlich den Grund für das Unglück der beiden. Karin hat nach einjähriger Ehe mit Sven sich in den Schriftsteller Olof Lagercrantz verliebt und wollte ihren Mann verlassen, Durch ungeheuerliche Drohungen gelingt es Sven, seine Frau so einzuschüchtern, dass sie schließlich bei ihm bleibt. Von da an führen sie ein Leben ohne gegenseitige Liebe, aber bestimmt durch Anklage und Misstrauen und Angst und Schuldbewusstsein. Für beide eigentlich ein trauriges, verfehltes Leben.

Der Autor beschreibt auf spannende und anschauliche Weise seine Nachforschungen und deren Ergebnisse. Eine teilweise traurige und vielleicht auch menschlich alltägliche Geschichte.

Sehr lesenswert!!

Prof. Münzer-Jordan

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