Sorj Chalandon „Verräterkind“

Der Autor dieses Buches ist Schriftsteller und Journalist. Er lebt in Frankreich und ist für seine Reportagen über den Prozess gegen Klaus Barbie und über Nordirland ausgezeichnet worden. Für seine schriftstellerische Arbeit hat er den großen Romanpreis der Académie française erhalten. „Verräterkind“ war Teil der Shortlist für den Prix Goncourt 2021. Sorj Chalandon ist 1952 in Tunis geboren.

In seinem Buch „Verräterkind“ sucht Sorj Chalandon, der zugleich der Ich-Erzähler ist, nach der Wahrheit über seinen Vater. Gleichzeitig geht es auch um das Gerichtsverfahren gegen Klaus Barbie. Dieser war im 2. Weltkrieg während der Besatzung Frankreichs durch die Nationalsozialisten Gestapochef in Lyon. Nach dem Krieg lebte er viele Jahre in Bolivien und wurde erst nach einem Regierungswechsel an Frankreich ausgeliefert. Im Prozess gegen ihn geht es um die Deportation jüdischer Kinder, Massenerschießungen und brutalste Folter.

Dem Ich-Erzähler wurden von seinem Vater verschiedenste Versionen über dessen Erlebnisse und „Heldentaten“ im Krieg erzählt. Als jedoch der Großvater dem Jungen sagt, „dein Vater stand im Krieg auf der falschen Seite“, und ihn deshalb „Verräterkind“ nennt, beginnt der Ich-Erzähler an der Wahrheit der Geschichten des Vaters zu zweifeln. In jedem Gespräch gibt es neue widersprüchliche Aussagen des Vaters und die Verwirrung und der Zweifel an der Ehrlichkeit des Vaters nehmen zu.

Den Auftrag seiner Zeitung, über den Barbie-Prozess zu berichten, nimmt der Ich-Erzähler zum Anlass, auch nach allfälligen Prozessakten oder sonstigen Kriegsunterlagen über seinen Vater zu suchen. Mit Hilfe eines Freundes findet er tatsächlich den Akt seines Vaters, dem nach dem Krieg in Frankreich der Prozess wegen Kollaboration gemacht wurde. So nimmt der Ich-Erzähler an zwei Prozessen teil: gegen seinen Vater aus den Akten und gegen Barbie im aktuellen Prozessgeschehen.

Der Vater nimmt als Zuschauer an dem Prozess gegen Barbie teil und sein Sohn, der Ich-Erzähler, beobachtet sorgfältig sein Verhalten. Er stellt den Vater zur Rede, konfrontiert ihn mit den Unterlagen seines eigenen Prozesses.

Barbie wird auf Grund der Beweise und der Zeugenaussagen verurteilt. Die Reaktion des Vaters und sein Versuch, sich aus seinem Lügengespinst zu befreien, sollen nicht verraten werden.

„Verräterkind“ ist ein interessantes, spannendes Buch. Die Gleichzeitigkeit des Prozesses gegen Barbie mit der Aufdeckung der väterlichen Lügen ist geschickt und spannend miteinander verknüpft.

Sehr lesenswert!!!

Prof. Münzer-Jordan

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