Regine Koth-Afzelius „Die Leibwächterin“

Die Autorin ist in Wien geboren und lebt im Weinviertel. Sie ist bildende Künstlerin und Schriftstellerin. „Die Leibwächterin“ ist ihr dritter Roman.

Die Ich-Erzählerin Stella hat die Erwartungen ihres Vaters, eines Professors für Orgelbau, enttäuscht, indem sie sich gegen ein gutbürgerliches Leben entschieden hat. Sie verbringt ihre Jugendjahre ohne sicheren Rahmen, sie lebt von einem Tag auf den anderen. Aber schließlich kehrt sie in ihr Heimatdorf und auch zur „Orgelwelt“ zurück. Sie arbeitet in der Werkstatt von Finn, in der Orgeln gebaut und restauriert werden.

Während Stella sich in ihrem neuen Leben einrichtet, erkrankt ihr Vater schwer und muss in ein Pflegeheim. Stella begleitet ihren Vater in seinen letzten Lebensmonaten, obwohl sie immer ein angespanntes Verhältnis zueinander hatten. Sie war nicht sein „Augenstern“, sondern eher sein „Augendorn“. Sie besucht ihn fast täglich, sie beobachtet seinen körperlichen und geistigen Verfall, sein Aufbegehren gegen den Tod und übernimmt mehr und mehr die Rolle der Beschützerin. Sie muss sich immer wieder für ihn gegen Missstände zur Wehr setzen.

Die Begleitung des Sterbeprozesses ihres Vaters belastet Stella sehr und sie zieht sich immer mehr zurück. Erst mit seinem Tod erwacht Stellas Kampfgeist wieder. Ihre eigenen Bedürfnisse werden für sie wieder spürbar. Stella sehnt sich nach Erotik und sexueller Wiederbelebung, hat jedoch nicht den Mut zu einer Beziehung mit einem Partner. Obwohl ihr Finn, der Besitzer der Orgelwerkstatt, und auch Jerome, ein Nachbar, gut gefallen würden.

Schließlich kommt es zu einem überraschenden Schluss.

Regine Koth-Afzelius hat mit „Die Leibwächterin“ einen interessanten, eigenwilligen Roman geschrieben. Sie stellt den Tod und das Bedürfnis nach Sexualität (Thanatos und Eros) einander gegenüber, wobei den größeren Teil der Tod des Vaters einnimmt. So ist Stella zweifache „Leibwächterin“: Sie wacht über das Sterben ihres Vaters und über ihr Bedürfnis nach erotischem und sexuellem Erleben. Damit wacht sie über den Tod und die Möglichkeit, dass Leben entstehen kann.

Interessant, lesenswert!

Prof. Münzer-Jordan

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