Ralf Rothmann “Hotel der Schlaflosen“

Ralf Rothmann, der Autor dieses Buches, das elf Erzählungen beinhaltet, lebt in Berlin. Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Rothmann gilt als Ausnahmeschriftsteller.

Das Grundthema der Erzählungen ist die Angst in verschiedenen Formen. Die Titelgeschichte „Hotel der Schlaflosen“ handelt von der Ermordung des Schriftstellers Isaak Babel. Er hat in seinen Büchern offen über den Krieg, die Gewalt, die Erbarmungslosigkeit und über die Verbrechen der Roten Armee und ihres Kommandanten berichtet. Dadurch ist er in Ungnade gefallen und Opfer einer der großen stalinistischen Säuberungen geworden. Der Autor beschreibt die letzten Gespräche zwischen Isaak Babel und seinem Henker Major Blochin. Dieser versucht sein Opfer zu zwingen seine Aussagen aus dem Buch zu widerrufen, die im Gegensatz zur offiziellen Beschreibung der heroischen Taten der Roten Armee stehen. Babel lehnt das bis zuletzt ab: „Aber so war es doch. So war es wirklich. Nicht ich mit meinem bisschen Tinte – er (General Budjonny) hat die Rote Reiterarmee in den Dreck gezogen, in die Niederlage. Literatur darf nicht taktieren, sie sollte ehrlich sein, Genosse Major. Sie hat eine Verantwortung vor dem Leben, vor der Wahrheit.“

In der Erzählung „Der Dicke Schmitt“ hofft ein Meister, dass sein Geselle sich in seine gehbehinderte Tochter verlieben könnte. Er hofft auf etwas Lebensglück für seine Tochter. Dieser Wunsch geht nicht in Erfüllung.

Die Erzählung „Auch das geht vorbei“ beschreibt das Leid eines Kindes, das diesem von seiner gewalttätigen Mutter zugefügt wird. Später, selbst erwachsen, ist es dieses Kind, das nun seine Gefühle von unterdrückter Wut und Sadismus an seiner Katze auslebt.

Erschütternd stellt der Autor dar, wie gewalttätiges Verhalten immer weiter angewandt wird, von einer Generation zur nächsten, wenn nicht ein Mitglied in dieser Reihe – selbst ein gedemütigtes und gequältes Kind – für Unterbrechung sorgt, indem es die an ihm angewandten Erziehungsmethoden in Frage stellt und sich all seiner Gefühle bewusst wird.

Der Autor überlässt es dem Leser, die Geschichten weiterzudenken. Er verzichtet auf jedes Zeichen, das Hoffnung bedeuten könnte, und zwingt den Leser mit ihm „ins Herz der Finsternis“ zu schauen. Für viele seiner Figuren scheint es keinen Ausweg zu geben, es sei denn den Tod.

Ein erschütterndes Buch, erschreckend, aber auch tieftraurig.

Unbedingt lesenswert!

Prof. Münzer-Jordan

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